Daniel Spanke     

Glas ist physikalisch eine Flüssigkeit.
Diese Erkenntnis verdanke ich Alfred Kaufner. Die Fließgeschwindigkeit ist allerdings so langsam, dass das nicht unmittelbar wahrnehmbar ist. Dennoch bestimmt das Flüssigsein von Glas dessen Eigenschaften. Es weist keine geordnete, kristalline Mikrostruktur auf, wie etwa Stein oder Metall, sondern besteht aus einem ganz ungeordneten, amorphen Strom von Molekülen. Würde man die Dicke einer ursprünglich ganz gleichmäßige, stehenden Glasscheibe nach vielen abertausend Jahren nachmessen, so würde sie ein bisschen 'nach unten geflossen' sein und deshalb unten immer dicker werden. Alfred Kaufner kombiniert nun diese superzähe Flüssigkeit künstlerisch mit gerade solchen Materialien, in denen der 'Fluss der Elemente', aus dem einst alles entstanden ist, erstarrt und sich neu zu einer Festkörperstruktur formiert hat:

eben Metall -Stahl, Zink, Blei - und Stein - Granit, Sandstein. Dem schweren, festen Stein sind oft Lagen von Glasscheiben "spröde und minimalviskos" eingepresst. In unüberschaubar langer Zeit quillt dieses Glas aus der Form. Es gibt nach und nach nach.

Einer zweiten Eigenschaft des Glases, die damit zusammenhängt, verfolgt Kaufner in seinen Werken ebenfalls: dem Verhalten gegenüber Licht. Der Stein und das Metall schlucken Licht an ihrer Oberfläche und reflektieren nur einen Teil zurück. Dessen spezifische Energie nehmen wir als Farben war. Glas reflektiert kaum Licht. Vielmehr lässt es das Licht durchströmen, es ist durchsichtig. An den Kanten wird es gebeugt und nur ein Ausschnitt aus dem Energiespektrum der Lichtquanten trifft jeweils das Auge: Diese Durchstrahlungsfarbe unterscheidet sich in ihrer sinnlichen Qualität grundlegend von der Reflektierungsfarbe opaker Oberflächen. Jeder, der sich mit Bildern beschäftigt, kennt das:

Der Computer-Bildschirm kann Farben unglaublich viel strahlender aufleuchten lassen als es mit einer bedruckten Oberfläche gelingen kann und ein Glasgemälde erscheint durch seine Leuchtkraft viel immaterieller als ein auf Leinwand gemaltes Bild. Um solche Kontraste geht es Alfred Kaufner in seinen Arbeiten. Seine ganz eigene Findung ist das 'malende Glas'. Er benetzt die Glasplatten mit einer Aufschwemmung feinster Metallpartikel um die Brechungseigenschaften des Glases zu manipulieren.
Dadurch erstrahlt es gerade durch die Kristalle des Metalls, das sonst so stumpf wirkt. Beide Farbwelten - die der Oberflächen und die der Durchstrahlung - steigern sich in dieser 'Symphysik der Materialien'.

In den besten seiner Werke gelingt es Alfred Kaufner, den Fluss und die Immaterialität des Glases auf ganz reduzierte, höchst einfache und deshalb höchst wirkungsvolle Weise gegen die Starre und Masse der anderen Materialien zu setzen, so dass sie gerade durch diese höchste Einfachheit schön wirken.

Die Einfachheit ist das Siegel des Wahren, wussten schon die Alten. Nicht die Auffächerung in mögliche Spielarten kann dabei das Ziel sein, sondern die Konzentration auf das eine, ultimative Werk. Auf dem Weg zu dieser höchsten Einfachheit ist die Kunst Alfred Kaufners immer noch experimentell unterwegs.
Das hält sie jung.